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21. Februar 2020

Partizipation im JUMP

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Das Schlagwort Partizipation ist heutzutage in aller Munde. Aber was ist damit gemeint? Was ist der Nutzen für Individuum und Gesellschaft und wie wird diese Idee im realen Arbeitskontext umgesetzt?

Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Lateinischen und bedeutet in etwa Beteiligung, Mitwirkung, Einbeziehung usw. In Hinblick auf die Kinder- und Jugendarbeit wird darunter die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei allen, das Zusammenleben betreffenden Ereignissen und Entscheidungsprozessen verstanden. Doch Partizipation ist nicht gleich Partizipation (Schröder [1995]). Nicht überall, wo Kinder und Erwachsene gemeinsam auftreten, kann von kindgerechter Beteiligung geredet werden. Oftmals werden Kinder und Jugendliche vielmehr für die Zwecke „der Erwachsenen“ eingespannt, anstatt tatsächlich Gehör zu finden und mitzuwirken. Aufgrund dieser Tatsache spricht man von Stufen der Partizipation, angefangen von „Fremdbestimmung“ und „Dekoration“, über „Teilhabe und Mitbestimmung“ bis hin zu „Selbstbestimmung“ bzw. „Selbstverwaltung“ (Roger Hart [1992] und Wolfgang Gernert [1993]). In der Praxis der Jugendarbeit sind diese theoretischen Unterscheidungen freilich fließende Übergänge und im Jugendzentrum JUMP Marco Polo gibt es bei allen Mitarbeiter_innen an erster Stelle eine innere Haltung, Partizipationsprozesse bei den Zielgruppen zu öffnen und möglich zu machen. Kinder und Jugendliche werden in ihrer Lebenswelt ernst genommen und wir begegnen ihnen auf Augenhöhe. Der Sinn dahinter ist es, ihre Bedürfnisse, Anliegen und Interessen wahrzunehmen und ein Setting zu schaffen, durch das sie die Möglichkeit haben, diese umzusetzen. Ein von Zielgruppen aufgeworfenes „Ich will, ich will, ich hätte gerne…“ wird wahrgenommen und die Zielgruppe dazu ermutigt und dabei unterstützt, selbst in Aktion zu kommen. Somit wird eine Plattform bzw. die Möglichkeit geschaffen, selbst aktiv zu werden. Dadurch entsteht ein Bewusstsein der Selbstwirksamkeit, das Selbstbewusstsein und der innere Tatendrang werden gestärkt.

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Grob und exemplarisch zusammengefasst wird zwischen folgenden Partizipationsschwerpunkten unterschieden:

  • Projekte, in denen Mitsprache und Mitbestimmung Jugendlicher im Jugendzentrum unter Berücksichtigung der Genderperspektive im Vordergrund stehen wie die im Kinderforum von Kindern selbst eingeforderte und beschlossene „Burschen*- und Mädchen* Quatschrunde“ oder „Getrennte Halbe Stunde“. Die Jugendlichen waren auch im Zuge der Europride gemeinsam mit anderen Jugendzentren wesentlich an der Planung, Gestaltung und Durchführung der Teilnahme an der Parade beteiligt.
  • Projekte, die Teilhabe im öffentlichen Raum fördern, reichen von selbst geplanten und durchgeführten Fußballturnieren in öffentlichen Parks, der (Mit-) Organisation des gemeinsam gefeierten Nachbarschaftstages, Planung und Organisation von Kinderausflügen (von Kindern für Kinder) bis hin zur Gestaltung eigener Programmpunkte und Angebote beim alljährlichen „Fleckerlfest“.

Zusätzlich findet in Zusammenarbeit mit Schüler_innen der 8. Schulstufe und im Auftrag des Bezirksvorstehers alljährlich das Projekt „Word Up!“ statt, im Zuge dessen sich die Schüler_innen mit konkret ausgearbeiteten Anliegen zur jugendgerechten Gestaltung des Bezirks an „die Politik“ wenden. Diese Projektvorschläge werden gemeinsam diskutiert und im Rahmen des eigens vom Bezirk dafür bereitgestellten Budgets auch realisiert.

Darüber hinaus wirkt sich der partizipatorische Ansatz natürlich vor allem auf die Gestaltung des Jugendzentrum-Alltags, die gemeinsam erarbeiteten (Haus-)Regeln und die jeweilige Programmgestaltung aus. So schlüpfen beispielweise Kinder im Zuge des „C-Teams“ für einen Tag in die Rolle des/der Veranstaltungsleiter_innen und Organisator_innen des Kinderbetriebes. Zwei Betreuer_innen sind auf partnerschaftlicher Ebene mit den Kindern im C-Team. Bei einer Teamsitzung wird mit Kindern auf Augenhöhe das Programm für den jeweiligen Tag erarbeitet. Auch die Teenies finden sich im Zuge des Projekts Seitenwechsel in der Rolle von Veranstaltungsleiter_innen wieder und übernehmen einen Betrieb lang die Verantwortung über das Jugendzentrum. Das Aufsperren des Hauses, die Planung und Durchführung eines Teeniebetriebs und kleine Projekte (Landhockey Turnier, Bastelaktionen, Kochaktionen) liegen in der Verantwortung von Jugendlichen. Jugendarbeiter_innen ziehen sich aus der aktiven Beteiligung (im Vergleich zum C-Team) zurück und beschränken sich auf die Rolle eines Coaches.

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Für die Jugendlichen des Jump ist Partizipation und Beteiligung schon selbstverständlicher Alltag. Jede zweite Woche ist „ihre Woche“, in der sie die Möglichkeit haben, ihren Betrieb und das Programm aktiv zu gestalten und über ein eigenes so genanntes Wochenbudget selbst zu finanzieren. Darüber hinaus gibt es einmal im Quartal eine Jugendversammlung, bei der die Jugendlichen mit Betreuer_innen und Leitung über die Rahmenbedingungen und Regeln des Jugendbetriebes verhandeln können. Zusätzlich finden eine Vielzahl von verschiedenen Projekten (Clubkarten, DJ*-Workshop, „Spezialverträge“ für Raumnutzungen für z.B. Tanzgruppen, selbst gestaltete Themenwochen, Ausflüge und Übernachtungen, aber auch Projekte für mehr Wertschätzung und Respekt im täglichen Miteinander u.v.m.) statt, die wesentlich von einem partizipatorischen Grundgedanken bzw. einer partizipatorischen Einstellung angestoßen sowie mitgetragen werden. Abschließend kann gesagt werden: Das Konzept der Partizipation hat in der Theorie viele verschiedene Gesichter und lässt sich in verschiedensten Konzepten, Projekten und Angeboten wiederfinden. Aber im Wesentlichen geht es dabei wohl um eine einbeziehende Geistesgrundhaltung, die in den unterschiedlichsten Bereichen und Tätigkeiten des (Arbeits-)Alltags in der Jugendarbeit oft unbewusst und sogar überraschend zum Tragen kommt.

 

Gernert, W. (1993). Jugendhilfe. Einführung in die sozialpädagogische Praxis. München: E. Reinhardt (UTB für Wissenschaft).

Hart, R. (1992). Children's Participation. From Tokenship to Citizenship. Innocenti Essays, 4 (8).

Schröder, R. (1995); Hrsg. von der LBS-Initiative Junge Familie: Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung. Weinheim: Beltz.

Stephan Kratochwill & Asha Heinreichsberger

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