Wie ich beim Hospitieren ein etwas anderes Rap-Konzert erlebte.
Ein Gefühl für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bekommen, Jugendarbeit hautnah miterleben, wahrscheinlich eine Stadtteilrunde gehen – das sind meine Gedanken, als ich mich an einem heißen Juninachmittag von Floridsdorf – unserer Zentrale – auf den Weg in den 17. Bezirk mache, um die mobile Jugendarbeit beim Hospitieren kennenzulernen. Bei Back on Stage 16/17 angekommen, werde ich beim Reingehen von einem jungen Mitarbeiter gefragt, wann denn die Schulkinder kommen. Ein wenig irrtiert über die Frage – vielleicht lag es an der Hitze – betrete ich mit einer kopfschüttelnden Bewegung die Räumlichkeiten. Drinnen stelle ich mich erstmal den Kolleg_innen der Mobilen Jugendarbeit vor und erfahre dann ziemlich schnell, was gerade im Gange ist.
Im Rahmen des Ottakringer Jugendparlaments TAKE PART! wünschte sich eine Volksschule des Bezirks, um genauer zu sein, die Schüler_innen der Lorenz-Mandl-Schule, einmal ein Rap-Konzert zu besuchen, da sie sonst nie die Möglichkeit dazu haben, sind sie doch noch zu jung dafür. Weiters erfahre ich, dass TAKE PART! in Ottakring und Hernals gemeinsam mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, wie Back on Stage 16/17 die Teilhabe von Jugendlichen an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen im Bezirk fördert. Da die Jugendarbeiter_innen gerne gemeinsam mit Jugendlichen Veranstaltungen organisieren und einige regelmäßige Besucher_innen von BoS 16/17 bereits erfahrene Rapper_innen sind, haben sie schnell die Idee geboren ein Rap-Konzert in der Jugendeinrichtung zu arrangieren. Der Raum im Kellergeschoß bietet sich gut für Konzerte an – also haben sie eine Bühne aufgestellt, den Raum dekoriert und ein paar Beats geprobt.
Während meiner Ankunft werden noch letzte Vorbereitungen getroffen. Die jungen Rapper von Two-Scales, OTK FHS und Bobby der Balkaner proben noch ein letztes Mal, richten ihre Kappen und zupfen ihre Outfits zurecht. Kollege Shinomacht noch Soundcheck. Die 4B sollte auch gleich eintreffen. Ein paar Minuten später ist es soweit – eine Schlange von Kindern steht vor BoS 16/17 und wartet auf Einlass. Sie zücken ihre Eintrittskarten, bekommen nacheinander von zwei Jugendarbeiterinnen etwas auf die Hand gestempelt und drängen in den Jugendraum. Wie in einer Bar bekommen die Volksschüler_innen Apfel- und Orangensaft ausgeschenkt. Damit erkunden sie den „Club“ und die unterirdische „Konzerthalle“. Die Kinder setzen sich auf Matten, dann kann es eigentlich losgehen. Plötzlich tut sich etwas. Die Scheinwerfer gehen an und drei Jungs springen auf die Bühne. Sie beginnen zu rappen. Das junge Publikum beobachtet fasziniert die Performance. Der eine oder andere holt sein Handy raus und filmt die Show.
Nach dem ersten Lied ist für die jungen Rapper klar, da stimmt etwas nicht. Sitzen bei einem Rap-Konzert? Das geht doch nicht. Die Künstler fordern die sitzende Crowd auf charmante Art und Weise auf, aufzustehen und sich zur Musik zu bewegen – wie bei einem richtigen Konzert. Das muss man den Kids nicht zwei Mal sagen und sie stehen allesamt auf. Ich frage mich, was jetzt passiert. Als die Performance wieder beginnt, kann ich es kaum glauben. Die Kinder bewegen sich ekstatisch, klatschen und kriegen sich vor Freude kaum noch ein. Da können sich die meisten Erwachsenen noch etwas abschauen. Statt Feuerzeugen, sorgen die Smartphone-Flashlights für visuelle Konzertatmosphäre. Wow, was für eine Stimmung.
Es ist schön zu sehen, wie den Kindern die Begeisterung ins Gesicht geschrieben steht. Als die Rapper fragen, wer denn selbst gern rappe, zeigte die halbe Klasse auf. Vom Publikum auserkoren, geht ein Bursch auf die Bühne – es wirkt nicht so, als würde es ihn viel Überwindung kosten – und rappt mutig seinen Text. Die Menge jubelt. Gleich darauf kommt noch ein Mädchen auf die Bühne und tut es ihm gleich. Alle Achtung! Ich und die anderen Erwachsenen im Raum sind sichtlich überrascht über die Courage und Euphorie der Schüler_innen. Auch die jungen Rapper zeigen sich erstaunt. Die Kinder sind in ihrem Element. Mit Sympathie, Ansprache und Ideenreichtum führen die Rap-Künstler die jungen Konzertbesucher_innen durch den gemeinsamen „Konzertabend“. Kaum zu glauben, dass sie das das erste Mal machen. Sowohl die Rapper, als auch die Volksschüler_innen wirken zu routiniert und eingespielt in ihrem Handeln. Nach dem Konzert stehen die jungen Fans noch für Autogramme bei den Jugendlichen an und machen unendlich viele Selfies mit ihren „Stars“.
So ist es also bei einem Live-Konzert von Jugendlichen für Kids in einer Jugendeinrichtung dabei zu sein. Alle waren motiviert, für alle war es ein tolles Erlebnis, alle waren glücklich. Die 4B der Lorenz-Mandl-Schule erlebte ihr allererstes Rap-Konzert – eine Erfahrung, die die Kinder nicht so leicht vergessen werden. Die Künstler legten einen tollen Auftritt hin und hinterließen einen starken Eindruck. Sie konnten Bühnenerfahrung sammeln und bekamen großartige Resonanz von ihrem jungen Publikum. Und wir haben uns gefreut, dass das Ganze eine solche Wirkung auf alle Beteiligten hatte:Win-Win-Win-Situation. Im Anschluss lassen wir in der Mitarbeiter_innen-Nachbesprechung die Veranstaltung noch einmal Revue passieren. Alle sind glücklich und zufrieden. Christa, die Leiterin von Back on Stage 16/17, noch immer gebannt von der Stimmung, meinte erfreut in die Runde: „Das ist Jugendarbeit, wie sie sein sollte.“ Dann verlassen Mix, Katha und ich die Basis und machen eine Stadtteilrunde.
Petra Berger